Vasco Saxer ist Inhaber von «Ventilator Records», dem einzigen Plattenladen in Winterthur. Der Trend, kreisrunde Scheiben aufzulegen, ist seit einiger Zeit wieder zurück. Saxer hat die Erklärung, weshalb.
Herr Saxer, geht es mit der Schallplatte wirklich wieder bergauf?
Tatsächlich sind die Verkaufszahlen wieder etwa so hoch wie in den 80er-Jahren. Vor allem in Amerika besteht eine grosse Nachfrage. Seit etwa fünf Jahren steigt das Interesse für LPs auch wieder in der Schweiz. Der Markt ist und bleibt aber überschaubar.
Wieso hört man heute wieder Vinyl?
Es findet eine Gegenbewegung zur Digitalisierung statt. Viele bevorzugen es, Tonträger haptisch wahrzunehmen. Die Platte selber aufzulegen, kann auch eine Art Ritual oder Teil der Entspannung sein. Musik ist mehr wert als nur ein File auf dem Computer, weshalb die Wertschätzung wieder zunimmt. Ausserdem klingt Musik vom Plattenspieler einfach besser.
Was physikalisch nicht nachweisbar ist.
Das stimmt, es kommt auch ein wenig auf das Equipment an. Der Klang ist aber sowieso anders, viel wärmer. Das kriegt man auch nicht mit noch so vielen Bytes und Bits hin.
Musik ist mehr wert als nur ein File auf dem Computer.
Sie haben gut gehandelt und genau in der Zeit des wieder ansteigenden Marktinteressens Ihren Laden eröffnet.
Das war mehr Glück als Verstand. Ich habe schon lange mit dem Gedanken gespielt, einen Laden zu eröffnen. Dafür müssen aber unterschiedliche Komponenten passen. Das heisst, nicht nur die finanzielle Absicherung, sondern auch die Bereitschaft, viel Zeit in das Projekt zu investieren. Als das für mich alles stimmte, nahm auch das Interesse für Vinyl wieder zu. Es war also tatsächlich mehr ein glücklicher Zufall.
Was verkaufen Sie?
Anfangs wollte ich nur Occasionen verkaufen. Ich habe dann aber schnell gemerkt, dass das zu wenig ist und biete inzwischen auch Neuerscheinungen an. Auch habe ich Platten in vielen verschiedenen Musikstilen. Um sich in Winterthur auf ein Genre zu spezialisieren, ist der Markt dann doch zu klein.
Ist der Vinyltrend nicht vom Genre abhängig?
Nein, alles wird auf Vinyl gekauft. Denn alle haben einen Grund dazu, ihre Musikstile mittels Plattenspieler zu konsumieren. Auch im Hip Hop gibt es eine starke Plattenkultur, vor allem durch das DJing.
Wer kauft bei Ihnen ein?
Ganz unterschiedliche Leute. Einerseits die traditionellen Plattenliebhaber ab 40, andererseits sind es inzwischen auch viele sehr Junge, die nicht mit Platten aufgewachsen sind. Zudem gibt es noch die Sammler. Die hat es schon immer gegeben und wird es wohl auch immer geben. Einige haben nicht einmal einen Plattenspieler zuhause. Ihnen geht es wirklich um den Besitz der Platten. Der Urinstinkt vom Jagen und Sammeln hat da wohl nicht nachgelassen. Hauptsächlich ist die Kundschaft aber nach wie vor männlich.
Der Reiz, dass alles verfügbar ist, besteht natürlich.
Wie können Sie sich das erklären?
Ich weiss es auch nicht genau. Wenn ein Pärchen in den Laden kommt, beobachte ich aber oft, dass er stundenlang verweilen kann, während sie es dann relativ bald gesehen hat. Vielleicht ist das wie mit den Frauen beim Shoppen.
Wie gross ist Ihre Plattensammlung?
Ich besitze etwa 1000 Platten, 3000 CDs und 2000 Singles. Wenn ich mit anderen vergleiche, ist das aber nicht viel. Mir ist nicht nur die Musik auf den Tonträgern wichtig, sondern auch dessen Anwendung und den geschichtlichen Zusammenhang. Deshalb habe ich auch noch einige volle Regale mit Büchern und Instrumenten.
Laden Sie keine Musik herunter?
Der Reiz, dass alles verfügbar ist, besteht natürlich. Die Alben stapeln sich aber einfach auf dem Rechner, sie werden wertlos. Deshalb habe ich damit aufgehört. Als mir dann vor einiger Zeit die Festplatte voller Musik kaputtging, hat es mir nicht einmal wehgetan.
Welches ist Ihre Lieblingsplatte?
The Velvet Underground von der gleichnamigen Band. Sie ist einfach durch und durch perfekt: vom Cover bis zum letzten Stück. Mit dieser LP hat sich bei mir ein musikalisches Universum aufgetan. Das hallt heute noch nach.
Sie sind der Bandleader von «The Royal Hangmen». Lassen Sie Ihre Alben auch auf Vinyl pressen?
Ja, wir spielen 60’s Garage Punk und Beat Music, da gehört Vinyl dazu. Wer in der Szene keine LPs verkauft, wird nicht ernstgenommen.
nachträglich erschienen im coucou magazin online